Die Versprechungen von Start-ups gehen oft weit über den tatsächlichen Stand des Produktes oder deren Möglichkeiten hinaus. Man will ja eine Vision verkaufen, Kunden gewinnen und muss somit etwas vorzuweisen haben. Dies ist bis zu einem gewissen Grad in Ordnung, kann allerdings auch negative Folgen haben.
Diese übertriebenen Versprechungen assoziiert man eher nicht mit Schweizer Tugenden und entsprechen amerikanischen Charakteristiken. Wir Schweizer würden instinktiv den Ansatz des Tiefstapelns wählen und danach durch Resultate überzeugen.
Ganz zu Beginn unserer Tätigkeit haben wir den Fehler von sogenannten Overpromises auch gemacht und dafür Lehrgeld bezahlt: Schnittstelle mit SAP, kein Problem. Ausweitung auf 5000 Mitarbeitende, kein Problem.
Frei nach dem Denken, dass wir die Herausforderungen schon lösen können, wenn es dann so weit ist. Zwei Probleme tauchten mit dieser Herangehensweise immer wieder auf:
- Falls Detailfragen in einer Thematik gestellt werden, in der man nicht sicher ist, wird man relativ schnell auffliegen und einen schalen Eindruck hinterlassen.
- Es ist schlicht nicht jedes Problem innerhalb kurzer Zeit lösbar. Dann zu einem Kunden zurückzugehen und ihm zu beichten, dass man ein Feature nicht in der abgemachten Zeit oder im schlimmsten Fall gar nicht implementieren kann, wirkt schnell unprofessionell. Es kann immer Schwierigkeiten und Verzögerungen geben. Aber es kommt darauf an, dass man den Versprechungen einigermassen gerecht wird.
Nun ist es jedoch auch nicht befriedigend, immer auf die Bremse zu drücken. Man möchte ja als junges Start-up die Zukunft verkaufen und den Kunden klar machen, was alles möglich ist. Die grosse Frage ist also, welches das optimale Gleichgewicht zwischen Overpromise und Realität darstellt.
Es ist relativ schwierig, hier eine pauschale Aussage zu treffen. Meiner Meinung nach ist es eine Sache der Erfahrung. Zwei grundlegende Punkte gilt es zu beachten:
- Man sollte sein Business genau kennen und innert weniger Augenblicke einschätzen können, ob etwas in annehmbarer Zeit möglich ist oder nicht. Denn oft haben Kunden – aufbauend auf der Präsentation – eigene Ideen und Vorstellungen für interessante Weiterentwicklungen, die jedoch noch nicht genauer durchdacht wurden.
- Man sollte bestimmt Nein sagen können. Klar machen, dass man ein Feature schlicht und einfach nicht mit den vorhandenen Ressourcen an Zeit, Personal und Kapital erarbeiten kann.
Denn ein fundiertes NEIN zum richtigen Zeitpunkt signalisiert wirkliche Professionalität und kann in Verhandlungen sehr gut taktisch eingesetzt werden.
Beste Grüsse
Fabian