Zugegeben, der Titel ist etwas provokativ. Haben wir doch gelernt, dass wir erst zum Lehrer gehen dürfen, wenn das Schulprojekt perfekt ausgefeilt ist. Fehler machen ist böse. Und alle anderen werden dich auslachen, wenn du keine Bestnote bekommst. Doch genau diese Art von Sozialisierung ist für den Fortschritt hinderlich, sowohl beim Aufbau eines Geschäfts als auch für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Das ist enorm schade, denn so verpasst die Welt Menschen, die Dinge verändern wollen und können.
Mit Über-Perfektheit zur Totalblockade
Ich kann gar nicht sagen, wie viele meiner Projekte mein zweifelndes Hirn nie verlassen haben.
Irgendwann fand ich mich einfach damit ab, dass ich eben nicht für das Unternehmertum geboren bin. Doch heute weiss ich, wo das Problem lag: Ich hatte immer den Anspruch, dass meine Idee schon komplett umgesetzt und glänzend perfekt stehen muss. Das am besten ohne fremde Hilfe und innert weniger Tage. Ach was, Stunden! Am Schluss blieben die Ideen bestenfalls Tinte auf einem Papier.
Mit Wortheldin, meinem heranwachsenden Start-up-Pflänzchen, versuche ich das anders anzugehen. Mein Motto: «Das Schlimmste im Leben ist Stillstand». Lieber machen und dazulernen. Fünf gerade sein lassen. Für perfektionistische Menschen wie mich ist das selbstredend der blanke Horror!
Wie du deine Blockaden überwinden kannst
Die folgenden Tipps basieren auf meiner persönlichen Erfahrung und auf Gesprächen mit anderen Menschen. Natürlich gibt es noch viel mehr zu sagen.
Finde dein «Why»
Es beginnt tatsächlich alles mit dem “Warum”. Wenn du dir immer wieder vor deine Vision vor Augen hältst, treibt dich das an. Und es motiviert dich, dir selbst gesetzte Grenzen zu überschreiten und ins kalte Wasser zu springen. Schreib dir immer wieder dein Warum auf, klebe es dir an den Badezimmerspiegel, speichere dir eine Notiz in deinem bevorzugten App. Du wirst automatisch in diese Richtung arbeiten und mit mehr Leichtigkeit an Zweiflern vorbeiziehen.
Lernen ist gut
Ich hab ja immer etwas mit der Nase gerümpft, weil ich das als abgedroschen empfand. Aber es ist wahr: Wenn du nie etwas Neues machst, gibst du dir nie die Chance, an Herausforderungen zu wachsen. Klar, niemand mag es, in etwas noch nicht gut zu sein, und ja, es ist unangenehm, wenn Leute kritisieren. Aber eigentlich kommt in Realität wenig Kritik. Wenn überhaupt, bekommt man wertvolle Tipps von Menschen, die schon mehr Erfahrung haben. Ja, der liebe Stolz kann einen da ganz schön aufhalten. Probiere es aus!
Selbstbeobachtung ist die halbe Miete
Beobachte dich mal selber, wie die Leute beurteilst, die der Welt ihre Ideen offenbaren. Bist du dann auch so streng? Und lässt den Menschen kein gutes Haar? Lass mich raten: Wenn du nicht gerade der Miesepeter der Nation bist, wirst du dich in erster Linie für die Person freuen. Erst in einem zweiten Schritt siehst du vielleicht etwas, was dir nicht klar ist oder du anders machen würdest, und meldest dies der Person vielleicht mit ein paar netten Worten.
80% sind genug
Wie meine Liebe Kollegin Giovanna schön zusammengefasst hat: 80% von dem, was du von dir und deinem Ergebnis erwartest, sind immer noch 100% für andere. Das ist eine sehr schwere Übung – denn was sind jetzt 80%? Es gibt hier eigentlich nur ein Herantasten. Ich persönlich schicke zum Beispiel meine Entwürfe viel eher in die Korrekturrunde, statt sie selber nochmals hundertmal durchzulesen und fünf Tage nicht darüber zu schlafen. Oder ich poste etwas, was ich als “unfertig” erachte und warte ab, was an Feedback zurückkommt.
Hilfe holen ist keine Schande
Ich habe zwei Coaches, spreche immer wieder mit anderen Menschen, mache Kurse. Und ganz wichtig: Ich weiss, dass ich nicht alles gleich gut kann und das es Leute gibt, die Profis sind auf gewissen Gebieten sind. Also: nicht erst stundenlang im Internet brüten – finde Leute, die dir helfen könnten, aktiviere dein Netzwerk. Niemand wird mit dem Finger auf dich zeigen, weil du nicht schon Expert*in auf jedem Gebiet bist. Rechtzeitig Fragen stellen hat nichts mit Faulheit zu tun, sondern mit dem Fokus auf deine Kernkompetenzen. Du wirst einerseits schneller zu deinem Ergebnis kommen, andererseits lernst du auf diese Weise auch noch spannende Menschen kennen.
Eins haben alle Punkte gemeinsam: Verhaltensmuster aufzulösen und Neues zu implementieren braucht Zeit und Übung. Daher macht es nicht viel Sinn, seinen Perfektionismus auf allen Ebenen gleichzeitig herauszufordern. Ich fange immer mit dem an, was mir am Leichtesten fällt. Und ganz wichtig: Auch hier ist keine Perfektion verlangt. 😉
Aus dem Blog von Wortheldin